Irgendwann nackt im Wind

Bundeskanzler Scholz spricht von einer Zeitenwende. Ich finde es gut, dass er das auch schon bemerkt hat, denn diese Zeitenwende begann schon vor einigen Jahren. Lassen wir mal Corona, den Krieg in Syrien und den Krieg in der Ukraine außer Acht. Nein, verengen wir den Blick mal auf Deutschland.

Da ist zunächst einmal die Bildungs-Katastrophe, die man treffend mit dem „Pisa-Schock“ umreißen kann. Jahrzehnte lang wird herumreformiert und experimentiert. Es wurde und wird vieles versprochen, aber nicht wird gehalten. Die Schulen sind marode, die Ausstattung aus dem letzten Jahrhundert und die WCs ein Zumutung. Die Schüler sind ja nicht dummer wie die Schüler früher. Es wird ihnen nur ständig signalisiert, dass sie der Gesellschaft eigentlich egal sind. Ein Bildungssystem, das sich nur die Reichen erlauben können, macht die Gesellschaft kaputt.

Arbeit muss sich lohnen. Aber was ist passiert? Der Niedriglohnsektor ist explodiert. Das ist sogar noch gefördert worden, sehr zur Freude der Wirtschaft, denn die Verfügungsmasse an billigen Arbeitskräften hat sich vervielfacht. Gewerkschaften verlieren an Einfluss. Sollen prekäre Arbeitsverhältnisse zum Standard werden? Dann kann ich junge Leute aber sehr gut verstehen, die gar nicht erst in das System einsteigen. Was das aber für die sozialen Sicherungssysteme wie für Rente, Krankheit und Arbeitslosigkeit bedeutet, kann sich jeder leicht ausmalen. Auch die Rente mit 70 hilft da nicht mehr, es sei denn man will die grundsätzlichen Probleme der Demographie auf eine noch längere Bank schieben.

Dass billige Arbeitskräfte ein Hemmnis für die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft werden, weil sie das Nachdenken und Innovationen verhindern, wird man bald feststellen. Deutschland ein „Dritte-Welt-Land“?

Die Abschaffung der Kalten Progression, die immer noch die arbeitende Unter- und Mittelschicht für ihre Arbeit bestraft, steht zwar seit Jahren in irgendwelchen Parteiprogrammen, aber an die Abschaffung geht keiner ran. Warum wohl? Die Masse macht’s und Arbeitnehmer sind ja gläsern und viel einfacher zu besteuern. Und die Mehrwertsteuer? Warum sollte ein Staat gegen die Enteignung der Bürger durch die Inflation etwas zu? Er verdient doch mit und das sehr gut sogar. Warum wohl regt sich niemand über die verschossenen Milliarden für den Tankrabatt auf – außer natürlich den Endverbrauchern, bei denen nichts ankommt.

Das sind natürlich alles nur Fragen und keine Lösungen. Aber eines muss allen Bundesbürgern klar sein: Wir leben auf Pump, und das nicht nur im Hinblick auf die immensen Schulden, sondern auch und im besonderen im Hinblick auf das Klima und unsere Umwelt. Von der brutalen Massentierhaltung und der Lebensmittel- und Ackerlandverschwendung will ich hier gar nicht mehr reden. Es gäbe da noch den um sich greifenden Mangel an Trinkwasser, die fortschreitende Zerstörung der Meere und der Wälder, die Verseuchung durch Mikroplastik überall, die wirkungslos werdenden Antibiotika und – um es einfach zu sagen – das Wetter, das an Zerstörungskraft immer weiter zunimmt.

Wenn es uns nicht gelingt die Bürokratie in Deutschland radikal zu verschlanken, an den Menschen zu bringen bzw. auszudünnen und wenn es uns nicht gelingt Talente zu fördern und Bildung zu vermitteln (dazu gehört auch Bewegung und Sport), dann stehen wir irgendwann nackt im Wind.