Gelebte Muttersprachen

Ein Kind lernt seine Sprache in der Regel von der Mutter oder von der allerersten Bezugsperson. Das ist die Sprache in der das Kind denken, lieben und lachen wird. Das ist Heimat!

Meiner Meinung nach ist es ein Verbrechen, wenn irgendjemand, z.B. eine Regierung, eine Muttersprache verbieten will. Hierbei ist es völlig egal, welche Sprache das ist. Das restriktive Verbot einer Muttersprache bedeutet Unterdrückung, Ausgrenzung, Vertreibung – und irgendwann auch Krieg und Ausradierung einer Kultur. Das geschah und geschieht immer noch.

Man muss gar nicht lange nach Beispielen suchen: den Deutschen wurde nach dem Krieg vielfach die Benutzung ihrer eigenen Sprache in ihrer Heimat verboten, bevor diese Heimat ausgelöscht wurde. Die, die bleiben konnten oder mussten, lernten zwangsweise eine andere Sprache, bis ihnen die Europäische Einigung erlaubte wieder ihre Muttersprache zu nutzen.

Das gravierendste Beispiel gegenwärtig ist das Verbot der russischen Sprache in der Ukraine, einhergehend mit Unterdrückung, Ausgrenzung, Vertreibung und – wie wir bitter erfahren – auch Krieg. Auch Estland hat ähnliches vor.

Wir leben erfreulicherweise in einem Land, in dem man die Dinge in der eigenen Muttersprache beim Namen nennen kann. Deutsch mag schwer zu erlernen sein und klingt für fremde Ohren manchmal sehr umständlich. Auch ist Deutsch wie ein Schwamm, der Begriffe aus anderen Sprachen aufsaugt und in die Umgangssprache einbaut, ihnen aber zugleich eine eigene Bedeutung gibt. Das war mal Latein, dann lange Zeit französisch und jetzt ist es Englisch (siehe Denglisch) und hin und wieder auch Türkisch.

Ich freue mich immer, wenn „Einwanderer“ sich bemühen Deutsch zu lernen und im Alltag zu sprechen. Ein gutes Beispiel sind die Einwanderer der ersten Jahre nach dem Krieg, die als „Gastarbeiter“ kamen und sich hier ein Leben aufgebaut und unser Leben bereichert haben. Das würde ich als WIR bezeichnen und uns allen ist die deutsche Sprache das Bindeglied.

Bei aller Weltoffenheit ist es andererseits aber auch so, wer sich nicht bemüht Deutsch zu lernen und zu sprechen und sich nicht versucht zu integrieren, uns Deutschen sogar eine andere Kultur oder Religion aufzwingen will, trifft immer auf Widerstand und Ablehnung. Das deutsche Unterbewusstsein knabbert immer noch an den Folgen des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) und der Zwietracht untereinander. Und die Abwehr des Fremden kann auch hässliche und grausame Folgen haben.